Klimaveränderungen wegen Corona

Artikel | Magazin 2020-11

Je kleinere Schritte der Mensch macht, desto grössere die Natur!
Gefühlt waren, die für uns sichtbaren Effekte auf Umwelt, riesig. Aber
so rasch sich die Umwelt dank des Corona-Effektes erholen kann, sollte
man die Umweltauswirkungen langfristig nicht überbewerten.

Das Coronavirus hat die Menschheit einschneidend beeinflusst und tut dies nach wie vor. Und auch auf Natur und Klima hatte der Erreger sichtbare Effekte. So war beispielsweise im April der Horizont so wunderbar blau wie seit Jahrzehnten nicht mehr – kein einziges Flugzeug am Himmel weit und breit. Es folgen weltweite Meldungen aus den sozialen Netzwerken über starken Rückgang von Smog und sauberen Gewässern, wo vor kurzem noch Dunst und Schmutz vorherrschte. Ein schöner Gedanke, der globale Stillstand habe eine positive
Wirkung auf unseren Planeten. Aber bringt diese Corona-Erholungsphase wirklich eine nachhaltige Verbesserung?

Der Wow-Effekt

Von weitem smogfreie Sicht auf den Fujiama.

Die Einschränkungen hätten einschneidender nicht sein können: Unternehmen fuhren ihre Produktion herunter oder schlossen gar den Betrieb, Angestellte arbeiteten im Home Office und der Reiseverkehr wurde weltweit für mehrere Wochen eingestellt. Die positiven Auswirkungen gesellschaftlicher Entbehrung konnte man bereits nach kurzem deutlich erkennen. Ohne Reiseverkehr ist kein einziger Kondensstreifen am Horizont zu sehen – der Himmel ist ungetrübt blau. Die Städte und Strassen sind beinahe (menschen-) leer. Ohne Touristen schwimmen wieder Fische durch das kristallklare Wasser in den Kanälen der Lagunenstadt Venedig. Ohne produzierende Industriebetriebe haben sich die Luftemissionen derart verringert, dass man den Fujiama oder Everest von Weitem erblicken kann. Auf internationaler Ebene waren diese kurzzeitigen Veränderungen auch messbar. Die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA veröffentlichte Satellitenbilder, auf denen der Rückgang des Stickstoffdioxid-Ausstosses (NO2) in China klar zu sehen war. Und die europäische Raumfahrtagentur ESA meldete für Norditalien ebenfalls einen starken NO2-Rückgang, was man insbesondere in den smoggeplagten Industriegebieten Mailands und Turins spürte. Weltweit reduzierte sich die Stickstoffdioxidbelastung im Februar um bis zu 30 Prozent.

Die reduzierten Umwelteinwirkungen diesen Frühling bedeuten nicht, dass die Schadstoffe nicht mehr da sind.
Aber es zeigt, wie rasch sich zumindest die Luftqualität verbessern kann, wirkt der Mensch für eine Weile mal nicht negativ auf die Umwelt ein. Aber die wahrnehmbaren Veränderungen sind von kurzfristiger Natur und
sie lassen noch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse
über langfristige Auswirkungen zu.

Corona hilft Klimaziele zu erreichen

Das Thema Umweltschutz steht seit langem auf der politischen Agenda. Die Schweiz hatte sich ursprünglich
zum Ziel gesetzt, bis im Jahr 2020 den Ausstoss von Treibhausgasen um 20 Prozent zu senken – was wahrscheinlich nicht erreicht wird. Jedoch hat der kurzfristige Effekt der Corona-Krise die Stickstoffbelastungen und
Schadstoffemissionen merklich sinken lassen. Folgt nun auch ein milder Winter, werden diese einmaligen Klimaeffekte dazu führen, dass die Schweiz ihrem Klimavorhaben näherkommt als prognostiziert. Mit der aktuellen
Revision des CO2-Gesetzes hat der Bundesrat die Klimaziele für die Schweiz neu abgesteckt. Das Versprechen: Bis 2050 sollen in der Schweiz gar keine Treibhausgasemissionen mehr ausgestossen werden. Dies entspricht internationalen Vereinbarungen, die weltweite Klimaerwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.

Die zweite Seite der Medaille

Leider existieren zur positiv glänzenden Seite auch dunklere
Negativaspekte. Der Mensch ist während des Coronavirus nicht einfach vom Erdboden verschwunden, er hat die Umgebung gewechselt. Wir arbeiten im Home Office und bestellen Waren bis vor unsere Haustüre. Die Umwelt konnte stark profitieren von unserem Verzicht auf Freizeitaktivitäten, Ferien und Mobilität.

Gleichzeitig wird dieses Plus mit dem erhöhten Stromverbrauch
in privaten Haushalten beinahe zunichtegemacht. Zu einem weiteren Umweltproblem wurden Masken, zu deren Tragen wir im Rahmen der weltweit verordneten
Corona-Schutzmassnahmen verpflichtet wurden. In Millionen
Stückzahlen produziert, lassen sie sich nur einmal nutzen und müssen danach entsorgt werden. Und da liegt der Hund begraben. Denn da, wo Herr und Frau Schweizer die Maske nicht mehr tragen müssen, werfen viele das Einwegprodukt einfach zu Boden. Littering – das achtlose Wegwerfen von Abfall – ist kein neues Phänomen in unserer Gesellschaft. Jedoch belasten unsachgemäss entsorgte Einweg-Schutzmasken unsere Umwelt zusätzlich.

Weggeworfene Einwegmasken entwickeln sich zum neuen Umweltproblem.

Chance für die Umwelt

Um gewohnte Verhaltensweisen zu ändern, braucht es manchmal nur ein Momentum wie die Corona-Pandemie, um Menschen zum Umdenken zu bewegen. Home Office und Videokonferenzen sind fast obligatorisch. Arbeitgeber
schaffen jetzt die nötige Infrastruktur und Arbeitnehmer
lernen, die entsprechenden Tools zu nutzen für den flexiblen Arbeitsplatz der Zukunft. Bedarf und Bereitschaft für Home Office werden auch nach der Pandemie hoch bleiben. Und wenn die Fahrt zum Arbeitsplatz entfällt, verringern sich auch die CO2-Emissionen.

Man kann also nur spekulieren, inwieweit die Gesellschaft aus dieser Zeit ihre Lehren zieht und ihr Verhalten gegenüber der Umwelt überdenkt. Es bleibt uns aber hoffentlich im Bewusstsein, dass kleinste persönliche Einschränkungen der Umwelt nachhaltig gut tun.


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